AM21 – Brief an Walter Gropius
Toblach, Mittwoch, 17. August 1910
[Postskriptum:] Schicke mir eine flüchtige kl. Skizze x für zu Deiner Bismarckidee!! –— (x im Brief)
[Postskriptum:] x in Farben!
Mittwoch
[Postskriptum:] Die Halsbänder will ich erst zum 31. Aug. x
Mein Geliebter
Dein gestriger Brief war so entzückend, wie Du selbst. Was bist Du für ein herrliches – goldenes Geschöpf. Ich vertraue Dir so – ich bin überzeugt, dass Du nichts zu thun im Stande wärst, was [. . .] Dich in meinen Augen herabsetzen könnte. Ich liebe Dich – wie ich die
Schönheit der Welt liebe. – Ich habe 2 Tage nicht geschrieben.\Ich konnte nicht[.]/ Ich habe viel Besuch, machte vorgestern eine Autopartie und gestern eine Tageswagenfahrt nach Prags. So schön all das ist – was wäre es mit Dir! – Meine Freude ist jetzt die Liebe und Verehrung, die me meiner Musik zollt. Sein zuk/ünft.\[iges] Leben will er dem allein wiedmen [!], und ich, die ich an einem solchen Glück schon verzweifelt hatte, kann es kaum noch fassen.
Er spielt den ganzen Tag nichts andres und sagt, dass sie einfach – genial sind. – Nun[,] ehrlich gestanden – ich wusste, dass meine Sachen „gut“ seien – und wenn ich durch 8 Jahre – meine Kinder heimlich in der Welt herum geschleppt habe – so wusste ich doch, dass sie gelungen waren – und glaubte einfach – es sei der Frau Loos [!] – all diesem Glück mit der Ehe zu entsagen. Ich weiß ja nicht einmal, ob ein so verdorrtes Reis noch einmal zum Grünen
kommen wird – wenn aber doch – so habe ich den Himmel auf Erden. – Ich bin überzeugt, dass mein tiefes Leiden all die Jahre her – nothwendig für meine innere Entwicklung war und, dass ich im Glück vielleicht verflacht wäre, un wie so mancher talentvolle Mensch neben mir. . Mein . – Wir wollen arbeiten und das Leben lernen – alles Winkel \Kleine u. Große/ durchforschen, damit wir krösusreich uns wiederfinden. –
Und das wollen wir und sollen wir. Ich liebe Dich[,] Du liebst mich – was soll uns Höheres widerfahren in dieser Welt?
Apparat
Überlieferung
, , , .
Quellenbeschreibung
2 Bl. (4 b. S.) – Briefpapier mit dunkelblauem Monogramm (Zum Material von Alma Mahler) aus den stilisierten Initialen AMs in Prägedruck (, ).
Beilagen
Umschlag, , – Neubabelsberg bei | Berlin | Stahnsdorferstraße 83 | Herrn Walter Gropius; PSt. (lt. , S. 531, Nr. 112): TOBLACH 2 | 17 | 8 | 1 N | 10 | c; von WG mit einer 9 versehen (Zur Nummerierung von Alma Mahlers Briefumschlägen); fremdschr. Datierungsversuch nach Übergabe an : „[17.8.10]“. AM20 und AM21 wurden in einem Umschlag verschickt.
Druck
, S. 435, bei Anm. 26 (Auszug), , S. 875, bei Anm. 234 und S. 878f., bei Anm. 253 (Auszüge in engl. Übersetzung), , S. 23, bei Anm. 45 (Auszug) und , S. 23, bei Anm. 45 (Auszug in engl. Übersetzung).
Korrespondenzstellen
Antwort auf WG45 vom 15. August 1910 (Halsbänder Geburtstag): Die Halsbänder will ich erst zum 31. Aug. Beantwortet durch WG47 vom 18. oder 19. August 1910 (Deiner Musik […] Dein Genie […] das geniale): Verehrung, die G.[ustav] me meiner Musik zollt. […] Er spielt den ganzen Tag nichts andres und sagt, dass sie einfach – genial sind.
Datierung
Schreib- und Absendedatum: „17.[8.]1910“ (, S. 111, Anm. 76), „17. [August] 1910“ (, S. 435, Anm. 26), „17.[8.]1910“ (, S. 44, Anm. 123 und S. 309), Übernahme dieser Datierung bei , S. 875, Anm. 234 und S. 879, Anm. 253, irrtümlich „undated letter“ (, S. 879, Anm. 253), „dated letter“ (, S. 875, Anm. 234), „‚Mittwoch‘, 17. [August] 1910“ (, S. 23, Anm. 45), „‚Mittwoch‘ [Wednesday], 17 [August] 1910“ (, S. 23, Anm. 45).
Datiert durch AM und Poststempel: Mittwoch, 17. August 1910.
Übertragung/Mitarbeit
(Marie Apitz)
(Elke Steinhauser)
Bismarckidee – s. Themenkommentar: Bismarcknationaldenkmal.
Die Halsbänder will ich erst zum 31. Aug. – zu Geburtstag.
gestriger Brief – aus dem Entwurf WG45 vom 15. August 1910.
Unleserlich durchgestrichenes Wort, Anzahl der Buchstaben nicht erkennbar.
viel Besuch – wohnte (mit ihrer Tochter ) seit 7. August 1910 bei der Familie Mahler, s. AM14 vom 8. August, der Dirigent seit 13. August, s. AM19 vom 14. August. Stimmungsschwankungen sollten aber nach „wenigen Tagen“ wieder vertreiben (, S. 221f.).
Tageswagenfahrt nach Prags – Auf der Terrasse des Hotels Pragser Wildsee (etwa 15 Kilometer südwestlich des Trenkerhofes) entstand damals ein Foto: , , , , und rings um einen Tisch sitzend (, S. 238).
meiner Musik – s. Themenkommentar: Alma Mahlers publizierte Lieder.
genial – vgl. Erinnerungen: „Ja, er verstieg sich zu Versprechungen und Ausrufen, die ich wegen ihrer Überschätzung meines Talentes hier nicht aufschreibe“ (, S. 220).
meine Kinder – Kompositionen.
Ursprünglich: alle.